Auch wenn Homosexualität in der Republik Moldau offiziell legal ist, ist die Lage für die LGBT Community in dem kleinen Land, das zwischen Rumänien und Ukraine im postsowjetischen Raum liegt, schwierig. Hass-Reden in Wahlkampagnen sowie der Einfluss der konservativen russisch-orthodoxen Kirche machen der LGBTQ+ Community und besonders schwulen Männern das Leben schwer. Couple of Men Reporterin Sarah hat sich im Rahmen einer eigens für Aktivisten und Journalisten organisierten online Veranstaltung über die Lage der LGBTQ+ Community in dem osteuropäischen Land informiert. Dabei konnte sie mit einheimischen Journalisten und Aktivisten sprechen und sich ein Bild über die LGBTQ+ und Schwulenfreundlichkeit in der Republik Moldau (auch Moldova oder Moldawien genannt) machen. Nach Georgien, dem Libanon, Laos, Myanmar, Vietnam, Kambodscha, Russland, Belarus und der Ukraine fertigt sie nun eine Analyse zum Thema Schwulsein in der Republik Moldau für Couple of Menan.
von Sarah Tekath
Genderdoc-M – Moldova’s only LGBT rights NGO
Anastasia Danilova ist eine LGBTQ-Aktivistin und Executive Director von Genderdoc-M Information Centre in Chisinau. Genderdoc-M ist Moldovas einzige NGO für LGBT-Rechte und wurde 1998 gegründet, was sie zu einer der ältesten und größten LGBT-Organisationen im postsowjetischen Raum macht. „Wir informieren Menschen über LGBT-Themen und sammeln Fälle von Diskriminierung“, sagt Danilova. „Außerdem bieten wir Trainings an und überwachen Hass-Reden gegen LGBT in unserem Land.“ Ferner biete Genderdoc-M auch ein Gesundheitsprogramm an, das sich einerseits auf HIV/Aids und andererseits auf mentale Gesundheit fokussiere. Weiter gäbe es in diesem Zusammenhang auch Selbsthilfegruppen für LGBT und Familienmitglieder von LGBT.
Gay Travel Index 2021
Die jährlich aktualisierte Rangliste des Gay Travel Index für 2021 von Spartacus informiert Reisende über die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transidenten Personen in 202 Ländern und Regionen verteilt auf die ganze Welt. Welche Länder sind schwulenfreundlich? Wo müssen LGBTQ+ Reisende besonders aufpassen?
Homosexualität ist legal in der Republik Moldau
Homosexualität ist in Moldawien seit 1995 nicht mehr illegal. „Dies war jedoch keine Entscheidung von Moldova“, sagt Anastasiia Danilova, „sondern es war eine Voraussetzung des Europarats. Moldova wollte dort gerne Mitglied werden und hat sich darum entschieden, Homosexualität zu entkriminalisieren.“ Allerdings sei damit keine umfassende Änderung von Gesetzen einhergegangen. „Der Druck durch die Europäische Union ist oft das einzige Mittel, das wir haben“, erklärt die Aktivistin. „Deswegen wenden wir uns meist an unsere europäischen Partner, wenn in der Republik Moldau LGBT diskriminiert werden.“
Es gäbe ausschließlich drei Gesetze, die LGBT betreffen, so Danilova. 2013 trat ein Antidiskriminierungsgesetz in Kraft, dessen einziger Paragraf sich allerdings vor allem auf den Bereich von Arbeit bezieht. „Die Arbeit von Genderdoc-M hat jedoch gezeigt, dass wir diesen Absatz auch gegen die Diskriminierung in anderen Lebensbereichen von LGBT nutzen können“, so Danilova. Ein weiteres Gesetz sei die Versammlungsfreiheit, das im Jahr 2008 in Kraft getreten sei. „Die sexuelle Orientierung wird darin nicht explizit genannt, aber wir haben diesen Paragrafen 2006 gegen den Staat Moldova verwendet. Aber erst 2012 haben wir eine offizielle Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhalten, der besagt, dass sich Moldawien durch das Verbot des Pride-Marsches der Diskriminierung von LGBT schuldig gemacht hat“, sagt die Aktivistin.
Das dritte Gesetz ist das Recht auf Asyl von 2009, das explizit sexuelle Orientierung benennt. Allerdings werde dieses nur selten von Genderdoc-M herangezogen, da LGBTQ+ Personen aufgrund der Lage in der Republick Moldau eher emigrieren anstatt immigrieren würden. „Dabei ist es eine Schande, dass queere Menrschen ihr Land und ihre Familie verlassen müssen, nur um endlich sie selbst sein zu können.“
Bezüglich gleichgeschlechtlicher Ehen oder Adoptionen gäbe es allerdings gar keine Gesetzgebung.
Die Organisation von Pride-Events in Moldawien ist jedoch möglich seit 2002, auch wenn in den Folgejahren oftmals Veranstaltungen durch die zuständige Regierung abgesagt wurden. Zwar werde die Pride-Parade von Polizisten gesäumt, sagt Danilova, dieses schränke aber wiederum auch die Bewegungsfreiheit und damit die Sichtbarkeit der LGBT-Community ein. Für viele Einwohner*innen von Chisinau werde der Pride-Marsch dadurch unsichtbar. Gleichzeitig weigere sich die Polizei aber auch oft, Hassverbrechen gegen LGBT als solche aufzunehmen. „In der offiziellen Statistik in Moldova gibt es null Hassverbrechen gegen LGBT“, so Danilova.
Schwulsein in Russland
Auch wenn Homosexualität in Russland offiziell nicht illegal ist – seit 1993 sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen legal – so wurde jedoch im Jahr 2013 ein Gesetz verabschiedet, das es unter Strafe stellt, sich in Anwesenheit Minderjähriger positiv über Homosexualität zu äußern.
20 Euro Geldstrafe für ein Hassverbrechen (auch LGBTQ+)
In Moldawien läge dem Parlament seit sieben Jahren ein Gesetzesentwurf vor, um zu spezifizieren, was Hassverbrechen sind und wie sie zu ahnden sind, sagt Doina Ioana Straisteanu, Anwältin und Menschenrechtsaktivistin in Chisinau. Nach eigenen Angaben ist sie die einzige Anwältin in Moldova, die sich für die Rechte von LGBT im Land einsetzt. Allerdings sehe die politische Führung diesbezüglich derzeit keine Priorität. Gleichzeitig zeigten jährliche Reports der LGBT-Organisation Genderdoc-M die Anzahl von Hassverbrechen. „Das Wissen, dass Hassverbrechen als solche nicht strafbar sind, führt dazu, dass immer mehr solcher Übergriffen gegen marginalisierte Gruppen – auch LGBT – stattfinden“, so Straisteanu. Für die Anwältin sei allerdings klar, warum vonseiten der Politik gerade keine Priorisierung des Themas stattfinde. „Wir befinden uns mitten im Wahlkampf.“
Als Anwältin, die auch LGBT gegen Hassverbrechen vertrete, nutze sie, was sie habe. „Ich habe zum Beispiel die Möglichkeit – auch wenn Hassverbrechen als solche nicht im Gesetz verankert sind – eine Strafverschärfung zu fordern, wenn deutlich wird, dass die Tat einzig durch die sexuelle Orientierung der geschädigten Person motiviert war.“ Es sei möglich, bei der Strafverfolgung auch den Aspekt von Hass in Betracht zu ziehen. Allerdings beziehe sich dieser nur auf die vier Komponenten Ethnizität, sozialer Stand, Nationalität und Religion. Sexuelle Orientierung gelte nicht.
Es bestehe außerdem ein Paragraf zur Kriminalisierung von Diskriminierung.
Schwulsein in der Ukraine
Die geografische Lage der Ukraine, eingebettet zwischen Polen und Russland, ist geradezu bezeichnend für die aktuelle Situation der LGBTQ+-Gemeinschaft und dafür, wie es ist, in diesem osteuropäischen Land schwul und queer zu sein.
Dieser wurde von Straisteanu gegen die radikale russische Anti-LGBT-Bürgerwehr Occupy Pedophilia genutzt, die auch in den großen Städten in der Republik Moldau ansässig sei. Über Dating-Apps und das Internet habe die Gruppierung schwule Männer zu Verabredungen eingeladen, um sie dort anzugreifen und zu verprügeln. In der Stadt Balti habe eine Gruppe von rund 20 jungen Männern ihren Mandaten angegriffen, habe die Taten gefilmt und sie anschließend im Internet veröffentlicht. Es sei möglich gewesen, alle Beteiligten anhand dieser Aufnahmen zu identifizieren, trotzdem sei es nicht zu einer Verurteilung gekommen, da bis auf wenige Ausnahmen alle Angreifer noch unter 16 Jahren alt gewesen seien. Die wenigen im Alter von 17 Jahren wurden zu mehreren Jahren Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
Obwohl es nachweislich zehn Fälle von Hassverbrechen gegen LGBT in Moldova gäbe, sei dies der einzige Fall, bei dem es zu einer Verurteilung gekommen sei, so Straisteanu. Dies sei im Jahr 2016/17 gewesen. In allen anderen Fällen sei eine kriminalistische Untersuchung verweigert worden. Straisteanu hätte diese Fälle an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergegeben.
Weiter habe es einen Fall in Balti gegeben, in dem ein Mann auf der Straße von einem unbekannten Mann ins Gesicht geschlagen wurde. Die Grundlage dafür sei gewesen, so die Anwältin, dass das Opfer im Internet gesehen gewesen sei, mit der Anmerkung, schwul zu sein. In der Tat sei das Opfer schwul, sei aber zu diesem Zeitpunkt nicht geoutet gewesen. Der Angreifer sei zu einer Geldstrafe von 20 Euro verurteilt worden.
Schwulsein in Georgien
Der Spartacus Gay Travel Index von 2019 stuft Georgien in seinem Ranking auf Platz 95 ein, mit einer Gesamtbewertung von -2. In Kategorien, wie gleichgeschlechtlicher Ehe, Antidiskriminierungsgesetzen oder Transgender-Rechten, schneidet das Land nur in einem einzigen Fall mit einer positiven Bewertung ab.
Politiker nutzen Vorurteile, um zu manipulieren
„Die soziale Situation in Moldova ist sehr schwierig“, sagt Danilova, „weil es innerhalb der Gesellschaft sehr viele Vorurteile gegenüber LGBT gibt, was regelmäßig von Politikern genutzt wird, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.“ Dies bestätigt auch die Anwältin Doina Ioana Straisteanu. „Die öffentliche Meinung zeigt deutlich, dass die Menschen LGBT für schlecht halten. Niemand möchte beispielsweise neben ihnen wohnen und sie akzeptieren auch keine schwulen oder lesbischen Familienmitglieder. Dieser Hass wird den Menschen systematisch durch politische Parteien eingeflößt.“ Deswegen biete Genderdoc-M auch eine juristische Hotline an, wo LGBT Hassverbrechen oder Drohungen und mögliche Konsequenzen mit Doina Ioana Straisteanu besprechen können. Es gäbe auch keine speziellen Trainings für Medizinstudenten oder Polizist*innen zu wichtigen LGBT-Themen.
Genderdoc-M sei die einzige Organisation in ganz Moldova, die Informationen zu LGBT zur Verfügung stelle. Befragungen innerhalb der Bevölkerung in den Jahren 2008 und 2016 hätten gezeigt, dass 85 bzw. 78 Prozent Homosexualität als solche gänzlich ablehnen. Eine andere Studie habe jedoch gezeigt, dass ein Drittel der Bevölkerung überzeugt sei, dass LGBT-Personen nicht existieren sollten. „Wir sind sehr zufrieden mit dieser Zahl“, sagt Danilova, „denn im Vergleich zu den Vorjahren ist das eine Verbesserung. Wir glauben außerdem, dass es in zehn Jahren ganz anders aussehen wird.“ Dies liege auch daran, so die Aktivistin, dass die Gesellschaft in Moldova sehr konservativ und traditionell sei, was oft von Politikern genutzt werde. „Wir versuchen, Moldova westliche Werte näherzubringen, die allerdings unseren traditionellen Familienwerten entgegenstehen.“
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„Hassreden gegen LGBT häufen sich besonders in der Zeit vor den Wahlen“, sagt Danilova. Im Jahr 2018 seien LGBT die Gruppe gewesen, gegen die die meisten Hass-Kommentare ausgesprochen worden seien. 2020 waren es allerdings Frauen im Allgemeinen. In der aktuellen Wahl habe die sozialistische Partei angekündigt, jede öffentliche Information über Homosexualität als Propaganda kriminalisieren zu wollen. Weiter wolle die Partei auch die Verfassung Moldova’s verschärfen, mit der Formulierung, dass nur eine männliche Person ein Vater und nur eine weibliche Person eine Mutter sein könne. Ebenso soll explizit aufgenommen werden, dass eine Eheschließung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Personen verboten ist.
Ferner sei die Kirche sehr stark in der örtlichen Politik involviert. „Es kommt sogar vor, dass sie öffentlich zur Wahl homophober Kandidaten aufrufen“, so Danilova.
Teenager organisieren Events an Schulen
„Sexualkunde ist in vielen Schulen in Moldova generell nicht vorhanden“, sagt Danilo, „und Informationen zu Diversität erst recht nicht.“ Es habe Versuche gegeben, Sexualkunde im Curriculum zu ergänzen – selbst ohne LGBT-Bezug – doch gegen den Widerstand durch Kirche und Eltern sei dies nicht durchzusetzen gewesen. Genderdoc-M arbeite auch an einem Programm gegen Mobbing Schulen, allerdings sei dies auch nicht ausschließlich für LGBT, sagt die Aktivistin. Allerdings sei die Umsetzung nur für Teenager in der Altersgruppe ab 14 Jahren auf weiterführenden Schulen möglich gewesen. Bei Genderdoc-M gäbe es eine Selbsthilfegruppe für LGBT-Teenager, aber dies sei auch eine Ausnahme, weil die zuständige Psychologin eine Zulassung für diese Altersgruppe habe. Generell sei es aber aufgrund des Bildungsministeriums nicht möglich, irgendein LGBT-Thema in Schulen anzusprechen.
Es gibt Hoffnung für die LGBTQ+ Gemeinschaft und schwule Männer in Moldawien
Es gibt aber auch Ausnahmen. So sagt die Schülerin Alexandra Iorga aus Chisinau: „Ich bin sehr froh, dass es an meiner Schule spezielle Events zur Toleranzbildung gegenüber LGBT gab. Meine Schule geht nämlich nur von der 10. bis zu 12. Klasse und deshalb konnten wir alles selbst organisieren, ohne dass das Ministerium oder die Eltern etwas sagen konnten.“ Außerdem habe sie besonders in diesem Jahr sehr viele LGBT-Teenager getroffen. „Ich glaube nicht, dass es zuvor schon eine Generation gegeben hat, in der mehr Teenager geoutet waren. Deswegen ist es so wichtig, dass es solche Veranstaltungen gibt und ich wünschte, wir könnten das Ministerium dazu bewegen, das LGBT-Thema in die Schulbildung aufzunehmen.“ Dies bestätigt auch Anastasiia Danilova: „Ich bin sehr beeindruckt, wie mutig die LGBT-Teenager in Moldova sind. Sie organisieren selbst Aktionen in ihren Schulen. Das ist großartig.“
Wie in vielen bereits für Couple of Men betrachteten Ländern besteht also auch in Moldova die Hoffnung, dass sich Nachfolgegenerationen als toleranter und liberaler erweisen werden – wozu soziale Medien und Popkultur sicher ihren Teil beitragen.
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Sarah & Karl & Daan.
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